Ohh Porajmos...
Ein Comic zur Aufarbeitung eines Genozids?

2014 mutet an wie die Auferstehung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Diesmal kommt der dunkle Geist wie eine Auferweckung aus dem Osten. Europa wird stetig brauner, die Diskriminierung nimmt immer harschere Züge an, es wird schon wieder ganz offen über Zwangssterilisationen nachgedacht und die EU sieht tatenlos zu. Es scheint, als gäbe es Kräfte und Anstrengungen die schwarze Sonne – das Glaubenssymbol der SS – wieder scheinen zu lassen, während vehement auf Verdrängung des Genozids an Sinti und Roma gedrängt wird. So wenig Auseinandersetzung und so viel Leugnung. Schätzungen zufolge wurden mindestens 500.000 Sinti und Roma während der Zeit des Dritten Reiches gemordet oder auf unbeschreibliche Weisen zu Tode gequält: Verbrannt bei lebendigen Leib, mit Meerwasser oder Chemikalien in diabolischen „Experimenten“ dahingerafft, verstrahlt, seziert oder mit Arbeit in Rüstungsfabriken zum Wohle des deutschen Volkes zu Tode gequält.

Was lehrt uns die Geschichte? Scheinbar gar nichts, denn die, die seinerzeit den Lauf der Geschichtsschreibung bestimmt haben, wirkten auch in der Nachfolge federführend ganz gleich ob in Wissenschaft, Medizin, Jurisprudenz, Politik, Kunst, Ordnungsmacht oder Medien.

Die Vielzahl der Nazikarrieren verlief auch im Nachkriegsdeutschland ohne großartig registrierbaren Karriereknick weiter. Währenddessen wurden Sinti und Roma, die aus den Lagern befreit wurden, anschließend des Landes verwiesen, weil sie Im Zuge der Zwangsinternierung in den Konzentrationslagern vor Kriegsende ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren hatten. Der Porajmos – das „Verschlingen“ ist ein Phänomen, das kaum einer in Deutschland benennen kann. Es herrscht ein Höchstmaß an Unwissenheit sowohl über die Umstände für das Zustandekommen des Völkermords als auch über die Folgen einer nahezu ganzheitlichen Beseitigung einer ganzen Generation. Zahlenmäßig wiegt der Genozid an den Juden – der Holocaust – sicherlich schwerer, ähneln sich die Arten der Morde bis aufs Haar, doch prozentual hat es die Sinti und Roma härter getroffen, weit über 80% des gesamten Volkes wurden selektiert und ausgelöscht.

Am Umgang der Mehrheitsbevölkerung mit der Minderheit hat dieser Volksmord wenig verändert. Die Diskussion um das Festhalten am Begriff „Zigeunersauce“ fördert zutage, was im täglichen Leben nur zu gut spürbar ist: Totale Verachtung und Diskriminierung all dessen, was unter dem Begriff des „ziehenden Gauners“ zusammengefasst wird. Diskussionen die jegliche Empathie vermissen lassen, ziehen Vergleiche zwischen Jäger- und Zigeunerschnitzel. Wenigstens an der Imbissbude möchte man sich nicht nehmen lassen, am „Zigeuner“ was Gutes zu finden und schon gar nicht möchte man sich verbieten lassen, wie man seine untertänige Minderheit nennt. Und dabei isst es sich am besten, wenn gleichsam über die Zusammenhänge von Volkszugehörigkeit und krimineller Prädisposition philosophiert werden kann.

Wohl vergessend, dass Lampenschirme aus Menschenhaut von Sinti und Roma gefertigt wurden. Zwei Völker, dasselbe Schicksal teilend, von der Idee des Übermenschen verzehrt und zur Diskriminierung verdammt.

Das im Winter erscheinende Comic „Porajmos – Die Novelle des Genozids“ räumt mit diesem Vergessen auf. Weder die Verbrechen der Täter noch die Opfer und ihre Qualen sollen vergessen werden, bevor sie ins Licht der breiten Öffentlichkeit treten. Schon zu oft wurde die Geschichte der so genannten „Ziehgäuner“ von Menschen romantisch verklärt oder diskriminierend nachvollzogen, die nur vom Hörensagen wissen, was es bedeutet, als Sinti oder Roma aufzuwachsen.

Was die Zukunft bringen wird, ist schwer zu sagen – nicht weil es nicht vorhersehbar wäre, sondern weil jeder Versuch das vorherzusehen defätistisch anmuten muss. So konnte sich Deutschland auch in der Folge nie zu einem Verbot der NPD durchringen, „blood and honor“-Videos erfreuen sich trotz des Straftatbestands der Volksverhetzung genau so großer Beliebtheit wie der Hitlergruß vorm Romaheim und Ghettoisierung wie Sterilisation sind bereits längst hoffähig gewordene Alpträume innerhalb der Grenzen Europas.

Faschismus wird längst wieder toleriert. Die aktuellen Umstände ähneln denen von 1933 in vielen entscheidenden Aspekten und auch 2014 stehen „Zigeuner“ in der Gunst der Mehrheitsbevölkerung in steter Folge an letzter Stelle. „Selbstverursacht!“, wird dann immer schnell geurteilt – und das „schickt die doch wieder nach Hause“ folgt meist eben so stante pede.

Die Wahrheit sieht anders aus. Machen Sie den Selbstversuch, ein typischer Sintoname, etwas dunkle Hautcreme und schwarzes Haarfärbemittel reichen schon aus, um den alltäglichen Alptraum zu erleben, von latenter bis manifester Diskriminierung – auch nach 600 Jahren inniger Integrationsbemühungen.